Reisebericht Brasilien
Einreise & Motorradimport:
Detaillierte Infos zu Einreisebestimmungen sowie zum temporären Fahrzeugimport findest du in unseren Länderinfos & Reisetipps Südamerika
Route:
Rio de Janeiro - Mangaritiba - Paraty - Trindade - Ubatuba - Sao Sebastiao - Vila Itagua - Bertioga - Cubatao - Itanhaem - Peruibe - Registro - Cajati - Curitiba
Die Route auf der Google Karte dient der Übersicht und zeigt im Großen und Ganzen unsere gefahrene Strecke, im Detail kann es aber zu Abweichungen kommen.
Gefahrene Kilometer von Burghausen:
97.094 Km
Spritpreis:
0,90 € (90 Oktan mit 30 % Ethanol)
Währung:
Brasilianischer Real
Probleme mit den Motorrädern:
- Telefonhalterung verbaut (Dicke Rosi)
- Reserveleuchten Fassung gereinigt (Dicke Rosi)
Stürze/ Umfaller: -
Gesundheit/ Verletzungen: -
Heute Morgen starten wir mit einer Großwaschaktion, denn die Außenhaut unserer Motorradkombis ist seit Monaten nicht mehr gewaschen worden und steht schon förmlich vor Dreck. Da unsere Unterkunft eine richtig große Waschmaschine und ausreichend Wäscheleinen besitzt, nutzen wir die Gelegenheit und gönnen unserem Gewand eine ordentliche Reinigung.
Danach geht es aber los, denn heute stehen zwei weitere touristische Sightseeing Highlights auf dem Programm. Als erstes geht es an die berühmte Copacabana, der etwa vier Kilometer lange Strand im gleichnamigen Stadtteil liegt im Süden von Rio, etwa 7 km von unserer Unterkunft entfernt. Wir parken unser Motorrad auf etwa halber Strandlänge und machen uns dann zu Fuß auf den Weg. Schnell entledigen wir uns unserer Turnschuhe und laufen über den weltberühmten, strahlend weißen Sandstrand der Copacabana, der trotz Wintersaison mit Touristen und Einheimischen gefüllt ist. Die Menschen genießen die Sonne, nehmen ein Bad in den stürmischen Wellen des Atlantischen Ozeans oder verausgaben sich bei einer Runde Beach Volleyball.
An einer der unzähligen kleinen Strandbüdchen genehmigen wir uns zwei frische, eisgekühlte Kokosnüsse und genießen den Blick über den Strand bis hin zum Pão de Açúcar, einem weiteren weltberühmten Wahrzeichen Rio´s, das sich am nördlichen Ende der Copacabana erhebt. Frisch gestärkt laufen wir nun direkt am Meer entlang und vor allem Helmut genießt den Ausblick auf die „sanften brasilianischen Hügel“, auf die er sich schon sooo lange gefreut hat. Typisch Mann
Als nächstes steht ein Aussichtspunkt im Nordosten der Copacabana auf dem Programm. Eigentlich sieht es auf dem Stadtplan so aus, als führte eine Straße zu dem Aussichtspunkt hinauf, doch leider müssen wir feststellen, dass es sich um Militärgebiet handelt, das man nur gegen Eintritt und dann auch nur zu Fuß betreten darf. Doch da wir noch ein wenig Zeit haben, wollen wir den Aussichtpunkt trotzdem besuchen und vier Real Eintritt sind nun wirklich mehr als verschmerzbar, vor allem da unser Motorrad wahrscheinlich noch nie so sicher geparkt war wie in diesem brasilianischen Militärstützpunkt.
Über einen kleinen Weg laufen wir einen Hügel hinauf, auf dessen Gipfel sich das im Jahr 1776 zum Schutz vor den Spaniern erbaute „Forte de Copacabana“ befindet, das ebenfalls besichtigt werden kann. Heute wird das alte Gemäuer als Militärmuseum genutzt, in dem neben alten Kanonen und Munition auch eine Bilderausstellung zu finden ist, die die Geschichte des Forts erläutert. Der Hauptgrund, warum wir den Hügel besichtigen wollen war jedoch die Hoffnung auf eine tolle Aussicht über die Copacabana und tatsächlich, wir werden nicht enttäuscht. Der Blick über den weitläufigen Stadtstrand und die Hochhäuser, die unmittelbar im Anschluss an die Uferpromenade empor ragen, ist wirklich klasse! Noch besser gefällt uns allerdings die Aussicht auf die Christus Statue, die wir vom Fort aus haben, denn die Perspektive mit der großen Brasilien-Flagge, die am Eingang des Forts in Blickrichtung auf die Jesus-Statue errichtet wurde und nun in der steifen Brise weht, ist einfach spitzenmäßig!
Bei all den tollen Aussichten und spannenden Ausstellungsstücken verbringen wir leider viel zu viel Zeit auf dem Gelände des Forts. Die Sonne steht bereits tief über dem Küstengebirge, zu dessen Füßen sich Rio de Janeiro ausbreitet, als wir uns auf den Weg zum Zuckerhut machen. Dass wir uns dann auch noch verfahren und dank der unzähligen Einbahnstraßen eine großräumige Extra-Runde drehen müssen, macht unser zeitliches Defizit nicht besser. So dämmert es bereits, als wir den Parkplatz vor der Seilbahn erreichen, die uns die 395 Höhenmeter hinauf bis zur Gipfelstation des Zuckerhut, auf portugiesisch „Pão de Açúcar” genannt, bringt. Mist, Mist, Mist! Doch da heute unser letzter Tag in Rio ist, hilft es nicht, schnell rasen wir in das Gebäude, berappen stolze 64 Real, umgerechnet knapp 20 Euro pro Person und springen in eine der großen, 57 Personen fassenden Gondeln der Seilbahn. Der Name dieses steilwandigen Berges kommt im Übrigen nicht von ungefähr, denn seine Form erinnert durchaus an einen Zuckerhut, wie man ihn zum Beispiel für die Zubereitung einer Feuerzangenbowle benutzt. Von der Talstation geht es mit der Luftseilbahn zuerst auf die in 226 m Höhe gelegene Mittelstation, auf deren Gelände sich ein großzügiges Areal mit Aussichtsplattformen, Imbissbuden, Restaurants sowie unzähligen Souvenirläden befindet.
Helmut genießt den Ausblick auf die „sanften brasilianischen Hügel“
Die spektakuläre, 528 m (Talstation bis Mittelstation) bzw. 735 m (Mittelstation bis Gipfelstation) lange, stützenlose Luftseilbahn existiert im Übrigen bereits seit dem Jahr 1912. Was für eine beeindruckende Bauleistung der damaligen Ingenieure und Baumeister! Der Ausblick ist bereits von hier aus ziemlich beeindruckend, denn die Abendsonne lässt den Himmel über Rio´s Küstengebirge in leuchtendem Orange erstrahlen, während die Häuserschluchten der Großstadt langsam in der Dämmerung verschwinden. Auf der Gipfelstation des Pão de Açúcar angekommen dauert es eine ganze Weile, bis wir uns mit unserem Stativ einen guten Platz zwischen all den anderen Touristen, die sich auf der Aussichtsplattform drängen, erkämpft haben. Doch der Aufwand lohnt sich, denn von hier oben hat man einen phänomenalen Blick über die 6,3 Millionen Metropole. Unserer Meinung nach zählt Rio zu Recht zu den berühmtesten Metropolen dieser Welt, denn wo sonst bekommt man solch einen atemberaubenden Ausblick geboten? Urbaner Großstadtdschungel, versteckte Buchten, Yachthäfen, sanfte, mit dichtem Regenwald bewachsene Hügel und die Christo Statue, die in gut 5 km Entfernung hell erleuchtet über Rio´s Mikrokosmos thront. Und wir mitten drin, auf dem Gipfel des knapp 400 m hohen Zuckerhuts, sprachlos und zutiefst beeindruckt von der fantastischen „Traumwelt“ um uns herum!
Trotz all der sicherheitsrelevanten Probleme, der heruntergekommenen Favelas und der riesigen Kluft zwischen Arm und Reich, mit der Brasilien und vor allem Rio de Janeiro zu kämpfen hat, so einmalig ist dieser Ort jedoch auch. Noch nie haben wir eine Stadt gesehen, die all diese Gegensätze so lebendig und vibrierend vereint und die landschaftlich wie auch architektonisch derart reizvoll ist. Gut zwei Stunden verbringen wir auf der Gipfelstation, genießen den Ausblick von den verschiedenen Aussichtsplattformen und können uns gar nicht satt sehen am nächtlichen Rio. Wow, wow, wow, einfach Wahnsinn!
Der nächste Morgen begrüßt uns erneut mit bestem Wetter und so freuen wir uns riesig auf unsere heutige Tagesetappe. Bis wir allerdings das Chaos in unserem Zimmer beseitigt und unseren Lebensmitteleinkauf auf unseren Motorrädern verstaut haben, ist es bereits Mittag. Auch heute geht es auf dem Stadthighway nur zäh voran und so dauert es eine ganze Weile, bis wir um den Lagoa Rodrigo de Freitas herum und zurück an der Küste sind. Bis wir dann auch noch alle Vororte Rio´s durchquert und endlich die Autobahn gen Süden erreicht haben, ist es bereits Nachmittag.
Da wir bis zu unserem heutigen Tagesziel, einem in einer idyllischen Bucht gelegenen Campingplatz in dem netten kleinen Örtchen namens Trindade, noch knapp 200 km vor uns haben, heißt es nun aber ordentlich Gas geben. Die ständigen 40 km/h Beschränkungen inklusive elektronischer Geschwindigkeitskontrollen alle paar Kilometer gehen uns daher ganz schön auf die Nerven, vor allem da der gesamte Verkehr immer kurz vor den Kontrollstellen eine Vollbremsung hinlegt, was ganz schön gefährlich sein kann, wenn man die Kontrollstellen zu spät sieht und der Vordermann dann plötzlich auf völlig freier, gerader Strecke eine Gefahrenbremsung hinlegt! Aus Zeitdruck stoppen wir auf der ganzen Strecke nur ein einziges Mal, denn wir wollen ein Foto des direkt an einer kleinen Bucht nach Angra dos Reis gelegenen Atomkraftwerks machen. Das Kraftwerk liegt direkt am Meer und wird nur durch einen Wellenbrecher vom Meer abgeschirmt. Na dann wollen wir mal hoffen, dass die brasilianische Atlantikküste nie von einem Tsunami getroffen wird, sonst lässt hier ein zweites Fukushima grüßen!
Trotz der riesigen Kluft zwischen Arm und Reich, Rio de Janeiro ist einmalig
Es dämmert bereits, als wir von der Hauptstraße abbiegen und die schmale, kurvige Strecke nach Trindade in Angriff nehmen, doch da wir zwei Nächte bleiben wollen, macht uns die Dämmerung heute nicht so viel aus. Schnell haben wir auf dem Campingplatz eingecheckt, bauen unser Zelt auf und richten dann eine richtig üppige Brotzeit her, die wir in der ausnahmsweise angenehm lauen Luft des heutigen Abends ganz entspannt am Strand verdrücken.
Wir haben heute keinen Wecker gestellt, da wir seit langem Mal wieder ausschlafen wollen, doch bereits bei Sonnenaufgang sind wir auf den Beinen… die Blase drückt! Doch das ist gar nicht so schlecht, denn so kommen wir in den Genuss eines einmalig tollen Sonnenaufgangs. Der Strand ist so früh am Morgen noch menschenleer und auch der winterliche Frühnebel hängt noch tief über der kleinen Bucht und den für Brasilien so typischen sanften, mit dichtem grünen Regenwald überzogenen Hügeln des Küstengebirges, die bis an den Strand heran reichen. Hinter den Bergen geht aber bereits langsam die Sonne auf und hüllt die ganze Gegend in gleißendes Morgenlicht. Wow, was für eine tolle Stimmung!
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Wir sitzen eine ganze Zeit lang still da und beobachten einfach nur den Sonnenaufgang. Irgendwann knurrt uns aber dann doch der Magen und während Bea Kaffee kocht, macht sich Helmut auf den Weg zum nahegelegenen Supermarkt, um frische Brötchen und Eier fürs Frühstück zu besorgen. Als er wiederkommt, genehmigen wir uns aber erst mal ganz in Ruhe eine Tasse Kaffee, mit der wir uns auf die Treppe, die zum Strand hinunter führt, verziehen.
Mittlerweile ist der kleine Ort Trindade zum Leben erwacht, erste Spaziergänger, Fischer und Straßenhunde tummeln sich am Strand und die umliegenden Restaurants und Bars haben bereits ihre Tische, Stühle und Sonnenschirme am Strand aufgestellt. Bevor wir uns allerdings ebenfalls ins Getümmel stürzen, müssen noch einige Reiseaufgaben erledigt werden. Bea wäscht vier Ladungen Wäsche, während Helmut die vielen hundert Bilder und Videos unseres Rio-Besuchs durchsortiert und sichert. Dann muss Bea noch ihr Reisetagebuch tippen und einige Emails offline beantworten, damit wir diese bei der nächsten Gelegenheit, bei der wir wieder Internet haben, einfach nur noch verschicken müssen. Außerdem schlägt sich Helmut erneut mit den Reservetank-Lampen der „Dicken Rosi“ herum und versucht einen neuen Platz für den Handy-Navi-Halter zu finden, den Bea seit Montevideo an ihrer „Dicken Rosi“ hat und der momentan bei starkem Einlenken am Tankrucksack ansteht, was ziemlich störend ist…
Obwohl wir uns fest vorgenommen hatten, heute mal nicht zu arbeiten, sondern einfach einen relaxten Tag an diesem herrlichen Ort zu verbringen, ist es bereits Nachmittag, als wir alle unsere „kleinen Aufgaben“ endlich erledigt haben und zum gemütlichen Teil unseres Aufenthalts hier übergehen. Als erstes geht es ab an den herrlichen Strand, der uns auf Grund der Jahreszeit fast ganz alleine gehört. Vor allem Helmut hat eine Heidenfreude, sich wieder und wieder in die Wellen zu schmeißen, die an den Strand branden. Bea ist der Wellengang allerdings schon fast zu stark und so bleibt sie lieber in Ufernähe und plantscht dort etwas herum. Wir laufen vorbei an einigen netten kleinen Restaurants, die alle zur Bucht hin großzügige, offene Terrassen besitzen und aus deren Küchen es lecker nach gebratenem Fleisch und Fisch duftet. Mhm, lecker! Am Ende des Strandes biegen wir ab und laufen auf der kleinen über und über mit Souvenirläden, Bekleidungsgeschäften für Strand- und Bademode sowie Bars und Restaurants gesäumten Hauptstraße des Dorfes entlang.
Auf uns wirken die „Condominio“ mehr wie Gefängnisse
Wir können bei dem Angebot an süßen Leckereien kaum wiederstehen und so gönnen wir uns neben ein paar Muffins noch eine Portion Eis. Nur blöd, dass vor allem Bea bei all dieser kalorienreichen Völlerei bald kein ansehnliches Bild mehr in den für Brasilien so typischen super knappen Stringtanga-Bikinis abgeben wird. Einziger Kommentar von Helmut: Wir fahren jetzt dann eh wieder in die Kälte, da bist du wieder dick eingepackt!
Es dämmert bereits und auch der fast volle Mond steht schon tief über dem Meer, als wir uns auf den Weg zurück zu unserem Campingplatz machen. Trotzdem müssen wir noch ganz schnell am Supermarkt stoppen, denn wir brauchen eine Tüte Eis und frische Limonen um unsere letzten Cachaça-Vorräte zu leckerem Caipirinha zu verarbeiten. Zurück am Zeltplatz sind wir die einzigen Gäste und so breiten wir uns in der Camping-Küche aus und kochen in aller Ruhe leckere Hamburger mit viel frischem Gemüse, während wir zwei Caipi´s schlürfen. Nun ja, irgendwie machen sich die Cocktails geschmacklich in unseren Alu-Trinkbechern nicht so toll, aber wir wollen uns nicht beschweren. Danach ist Kino-Abend angesagt, denn Helmut hat extra auf einem kleinen Tisch seinen Computer aufgebaut. Schnell machen wir es uns mit unseren Campingstühlen und einer zweiten Runde Caipirinha davor bequem und dann kann es auch schon los gehen. Mensch, so gut wie heute ging´s uns schon laaaange nicht mehr!
Bereits um 7 Uhr sind wir auf den Beinen, denn heute geht es back on the Road! Nach einem schnellen Frühstück und einer Tasse Kaffee packen wir unsere Motorräder auf. Die zum Glück mittlerweile trockene Wäsche wird wieder in unseren Gewand-Bags verstaut und unser Zelt von einer gefühlten Tonne Sand befreit. Auch heute fahren wir wieder durch einige Küstenorte, deren zum Strand hin gelegenen Villen und besseren Wohnsiedlungen, auf Portugiesisch „Condominio“ genannt, durch Meter hohe Betonmauern abgeschirmt sind, auf deren Oberkante zusätzlich noch wahlweise Stacheldraht oder ein Elektrozaun angebracht sind. Die Einfahrten zu den Gebäuden werden durch große Tore abgeschirmt und zusätzlich von Sicherheitspersonal überwacht. Auf uns wirken diese Siedlungen mehr wie Gefängnisse und wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich die Bewohner dieser „Hochsicherheits-Wohnanlagen“ besonders wohl fühlen.
Doch uns wurde bereits mehrfach erklärt, dass diese in unseren Augen sehr extremen Sicherheitsmaßnahmen hier gang und gäbe sind, denn nur so kann sich die wohlhabende Oberschicht vor den Überfällen und Einbrüchen schützen, die in Brasilien auf Grund der eklatanten Kluft zwischen Arm und Reich leider an der Tagesordnung liegen.
Es ist erst 15 Uhr als wir auf einem Zeltplatz entlang der Küste halt machen, auf dem wir auf der Fahrt gen Norden bereits eine Nacht verbracht hatten. Helmut will die frühe Stunde nämlich nutzen um unsere Hinterreifen zu wechseln, was schon mehr als Überfällig ist, denn nach stolzen 23.000 km Laufleistung ist auf unseren Heidenau´s nicht mal mehr der Ansatz eines Profils zu erkennen… :-) Bea hilft Helmut noch kurz den Hinterreifen seines „Alperers“ mit Hilfe des Seitenständers der „Dicken Rosi“ von der Felge zu drücken, dann macht sie sich zu Fuß auf den Weg zum Supermarkt, der etwa einen halben Kilometer vom Zeltplatz entfernt liegt, um frische Lebensmittel für unser Abendessen zu besorgen. Das es bereits auf dem Hinweg zu regnen beginnt, ist irgendwie klar. Zum Glück hat Bea wenigstens ihre Regenjacke eingesteckt und schon mal vorsorglich statt ihrer Sandalen ihre Turnschuhe angezogen. Helmut, der auf Grund des Regenschauers unter eine überdachte Veranda geflüchtet ist, macht sich in der Zwischenzeit daran den alten Heidenau K 60 Scout abzuziehen und einen neuen Mitas E09 Dakar aufzuziehen. Da wir speziell in Bolivien und Peru einiges an Offroad vor uns haben, haben wir uns dazu entschlossen diesmal Reifen mit einem etwas gröberen Profil zu versuchen und haben uns daher für den Mitas entschieden. Anscheinend ist die Gummimischung der Mitas wesentlich zäher als die der Heidenau´s, denn Helmut, der die Reifen ja per Hand wechselt, bekommt den Hinterreifen perdu nicht auf die Felge. Immer wieder lässt er mit seinem Minikompressor Luft ein, schmiert die Flanken, dreht, wendet und klopft auf dem Reifen herum, doch ohne Erfolg, der Hinterreifen will und will ums Verrecken nicht auf die Felge springen!
Als Bea von ihrem Einkauf zurück kommt ist Helmut´s Geduld am Ende. Er flucht und schimpft und wünscht den neuen Reifen zum Teufel… Da Bea ihren Helmut mittlerweile gut genug kennt, weiß sie, dass man ihn in so einem Gemütszustand am besten bloß nicht anspricht, sondern einfach alleine lässt, so schnappt sie sich ihren Laptop und verzieht sich in eine Ecke der überdachten Veranda, wo sie erst mal ihr Reisetagebuch tippt. Auch gut 45 Minuten später ist Helmut noch immer nicht erfolgreich. Er bläßt den Reifen zum gefühlten tausendsten Mal auf und ist kurz davor Amok zu laufen. Dass wir heute mal kein Bier gekauft haben, entpuppt sich als fataler Fehler! Da Bea nach wie vor keine Hilfe ist, läuft sie mit ihrem Laptop zur Strandbar, zu der der Campingplatz gehört, um dort das Internet zu nutzen. Sie muss einige dringende Emails verschicken und etwas räumlicher Abstand zum gereizten Helmut ist auch nicht schlecht. Es ist bereits finster als Bea gut eine halbe Stunde später zurück kommt, doch nun hat Helmut zumindest ein erstes Erfolgserlebnis zu vermelden, denn zumindest auf seiner Felge ist der neue Hinterreifen nun drauf. Leider ziert sich auch der zweite Mitas ziemlich und es ist eine weitere Runde Plackerei und Flucherei angesagt, bis Helmut auch Bea´s Hinterradfelge mit dem neuen Reifen versehen hat. Bis wir endlich zu Abend essen ist es bereits nach 21 Uhr und auch das seit dem Nachmittag regnerische Wetter will sich nicht bessern. So beschließen wir kurzerhand unser Zelt unter der kleinen Veranda auf dem Beton aufzustellen, so ist es einigermaßen vor dem Regen geschützt.
Da wir heute wieder einmal knapp 500 km vor uns haben, sind wir bereits um halb 7 auf den Beinen. Zu unserer Freude hat es in der Nacht zu Regnen aufgehört, doch der Himmel ist nach wie vor von dicken, dunkelgrauen Regenwolken verhangen. Nach Kaffee & Frühstück packen wir die Motorräder auf und Helmut entsorgt noch schnell unsere beiden alten Heidenau Hinterreifen in der Mülltonne des Zeltplatzes – keine Panik, wir haben den Besitzer gefragt, der hat nichts dagegen, dass wir unsere Altreifen hier lassen und von so europäisch-bürokratischen Dingen wie einer Altreifenverordnung haben sie in Brasilien sowieso noch nie etwas gehört!
Wir folgen dem Küstenhighway 101 Richtung Süden und durchqueren nach einiger Zeit ein weitläufiges Industriegebiet, das sich von São Paulo im Nordwesten bis zu einem großen Industriehafen an der Atlantikküste bei Santos erstreckt. Wir fahren vorbei an riesigen Raffinerien, die gerade Gas abfackeln – in Anbetracht dessen, das wir aus dem oberbayerischen Chemiedreieck stammen, nicht unbedingt ein ungewöhnlicher Anblick für uns. Aber die weitläufigen Chemie- und Industrieanlagen blasen darüber hinaus derart viel schwarzen Qualm, Rauch und alle möglichen anderen Abgase in die Luft, dass das ganze Tal in dem das Industriegebiet liegt, in eine riesige Dunstglocke gehüllt ist. In der abgasgeschwängerten Luft können wir auch einen deutlichen stechend-beißenden chemischen Geruch ausmachen, der unangenehm in der Nase kitzelt. Puh, nichts wie weg hier!
Leider währt unsere Freude über das schnelle Vorankommen auf dem durchgängig zweispurig ausgebauten Highway nur etwa zwei Stunden, denn dann wechselt die Strecke in eine Landstraße, die zwar ebenfalls super in Schuss ist, doch sie führt über viele Kilometer von einer Ortschaft in die nächste und oft ist die Geschwindigkeit auf nur 40 km/h begrenzt, was auch hier wieder fleißig durch fest installierte elektronische Geschwindigkeitsmesser kontrolliert wird. Nachdem wir die teilweise ziemlich herunter gekommenen und fast schon Favela-artigen Siedlungen endlich hinter uns gelassen haben, führt die Strecke in sanften Kurven durch weitläufige Bananenplantagen, die sich über die gesamten Berghänge der Gegend erstrecken. Die noch kleinen Bananenrispen sind mit blauen Plastiktüten umwickelt, die wir von Weitem erst mal für Plastikmüll halten. Wir vermuten aber, dass die Tüten entweder als Schutz vor Vögel oder Regen oder auch als eine Art Mini-Treibhaus dienen. Irgendwann sind wir zurück auf dem zweispurigen Highway, dafür fängt es nun wie aus Eimern zu schütten an und je weiter wir von der Küste weg und in das knapp 1.000 m hoch gelegene Küstengebirge hinauf fahren, desto nebliger, kühler und feuchter wird es. Na prima.
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Örwin (Dienstag, 08 September 2015 04:05)
lese immer eure interessanten Berichte, so erfreut es mich immer, dass ihr euch die zeit nimmt, uns zuberichten und teil haben lässt an den schönen Aufnahmen!
danke und weiterhin gute fahrt aus AÖ.
Tom/Oggy (Montag, 07 September 2015 15:18)
Wie? Keine weiterer Reisebericht? Verdammt! Dann warte ich mal gespannt auf den Nächsten.
Eure letzte Nachtaufnahme von Rio ist der Hammer. Da sieht es ja tatsächlich so aus also ob einen Lawazunge auf Rio zurollt. (rechts unten)
Der gute Mitas E-09 Dakar. Da schimpfen sogar die Reifenhändler, dass der extrem zäh zum Aufziehen ist. Respekt an deine Geduld! Ich hätte Reifen und Felge schon längst in gegensätzliche Himmelsrichtungen befördert. ;-)
Ich wünsche euch weiterhin gute Fahrt und lasst von euch hören.
Gruss aus R,
Tom
Eckhard (Sonntag, 06 September 2015 23:03)
Hummel Hummel,
das sind Ratten : ))
Franz (Dienstag, 01 September 2015 21:34)
Eine andere moglichkeit die reifen einfacher zu montieren ist: Keine Midas zu kaufen. Die sind viel zu schwierig zu montieren. Ich kenne leute, die sie wieder umgetauscht haben. Wenn du irgendwo on the road einen reifen flicken musst sollte es mochlichst einfach sein. Buy Continental.
Frank (Dienstag, 01 September 2015 20:24)
Ist zwar eine etwas brutale Metode, den Reifen in das bett springen zu lassen aber es geht wie folgt. Starthilfe in den montierten Mantel spritzen, geht auch Bremsenreiniger oder Lösungsmittel, Feuerzeug hinhalten, durch die Verpuffung haut es den Gummi in die Felgenwulst. Als Film auf Youtube anzuschauen mit dem Suchbegriff :"reifenmontage russisch". Zweite Möglichkeit ist, einen Spanngurt im Umfang auf den neuen Gummi, gscheid spannen und aufblasen.
Tobi (Montag, 24 August 2015 17:27)
Das nächste mal klappt das vielleicht mit dieser Methode: https://www.youtube.com/watch?v=Lts5BgfXLjA
VG
Tobi
Markus (Sonntag, 23 August 2015 11:01)
Super geschrieben...hab am Ende die nächsten 12 Seiten vermisst wie in einem Buch :) !
Gruß Markus
Anita & Michael (Sonntag, 23 August 2015 06:59)
Ahh - o.k. hatten wir wohl falsch verstanden - sorry ;)
Ja wenn er nicht ins Felgenbett springen will, kann einen das schonmal wahnsinnig machen...da fühlen wir ganz mit dir Helle...;)
Lieben Gruß aus Köln,
Anita & Michael
Bea & Helle (Samstag, 22 August 2015 00:06)
Danke euch allen, Rio war landschaftlich mit Sicherheit eine der beeindruckendsten Städte, die wir je gesehen haben. Also einen Besuch wert.
@Anita & Michael: Wir haben ebenfalls drei Montiereisen im Gepäck. Das Problem war auch nicht, den Reifen aufzuziehen sondern ihn per Luft auf die Felge zu bekommen. Nach mehreren Versuchen mit div. Gleitmittelchen und knapp 6 bar Druck hats irgendwann geklappt. Der Mitas ist hier wesentlich widerspenstiger als der Heidenau.
Schöne Grüße aus La Paz
Bea & Helle
Klaus (Freitag, 21 August 2015 13:20)
Halli Ihr zwei,
also die Aussichten sind in Rio wirklich prima, insbesondere die Hügel auf Bild 4 :-)
Ganz liebe Grüße,
Klaus
Marc (Freitag, 21 August 2015 08:00)
Hallo ihr zwei!
Wieder mal ein super Reisebericht und die Bilder sind mal wieder absoluter Oberhammer.
Mal ehrlich, die habt ihr doch teilweise aus einem Reisekatalog stibitzt? ;-)
Wünsch euch weiterhin viel Spaß auf der Tour und uns weiterhin tolle Berichte und Bilder.
LG Marc
Anita & Michael (Freitag, 21 August 2015 05:53)
Hallo ihr zwei. Wieder mal ein sehr schöner Bericht und sehr beeindruckende Bilder - Danke ! Brasilien scheint auf jeden Fall eine Reise wert zu sein... ;-) Um Helles Problem aus dem Weg zu gehen haben wir immer drei große Montiereisen dabei. Ist zwar einiges an Mehrgewicht, aber einfach viel entspannter ;-)
Wir wünschen euch weiterhin alles Gute und viele tolle Eindrücke/Erlebnisse!
Gruß aus Köln,
Anita & Michael
ps. die FB-Bilder vom Salzsee sind echt klasse!!